Anders kochen von Sören Anders [Rezension]
Es wird mal wieder Zeit für eine ausführliche Kochbuch-Rezension! Dieses Mal sogar mit einer Portion Lokalpatriotismus, denn „Anders kochen“ ist das erste Kochbuch von Sören Anders, der sich einst als jüngster Koch Deutschlands mit nur 24 Jahren in der Oberländer Weinstube in Karlsruhe einen Michelin-Stern erkochte. Seit 2012 hat er ein eigenes Restaurant in Karlsruhe, das „Anders auf dem Turmberg“, und hat sich auch hier bereits wieder einen Stern verdient. Ich war also sehr gespannt auf sein Kochbuch. Würde es „Sternenstaub“ enthalten? In einer Hobbyküche nicht nachkochbare Molekularküche? Oder oder oder?
In seinem Vorwort macht Sören Anders gleich klar, was einen erwartet: Nicht weniger als seine Leibgerichte. Klassiker wie Kürbissuppe, Rindergulasch mit Semmelknödeln, Zimtsterne (ja genau, die Weihnachtsplätzchen) und Apfelpfannkuchen sind darin ebenso vertreten wie ein weißer Zwiebelschaum mit gebratener Blutwurst, offene Ravioli mit Ei und Muskatblütenschaum, Kalbsfilet mit Schwarzwurzelragout und Haselnussgnocchi oder Kokoseis im Pomelosud. Diese Art von Leibgerichten gefällt mir!
Seit „Anders kochen“ im Februar bei mir im Kochbuchregal eingezogen ist, habe ich fleißig daraus gekocht. Diese drei Rezepte habe ich daraus ausprobiert:
Als erstes waren die Apfelpfannkuchen an der Reihe. Das fällt ganz klar in die Kategorie „Lieblingsessen aus der Kindheit“. Das Ergebnis waren flaumige, durch die enthaltenen Apfelstücke wunderbar saftige Pfannkuchen, die ich gerade noch fotografieren konnte, bevor sie in unseren Mündern verschwunden sind. Perfektes Soulfood!
Danach habe ich ein etwas anspruchsvolleres Rezept ausprobiert, nämlich den Confierten Lachs an Curryschaum mit Erbsenpüree und Minze. Geschmacklich top, auch wenn mein Curryschaum nicht so schön luftig geworden ist wie auf dem Foto im Kochbuch, und ich vergessen habe, die Joghurtsauce zu servieren, die eigentlich auch noch zu diesem Gericht dazu gehört.
Als letztes habe ich wieder etwas Bodenständiges nachgekocht, nämlich eine Karotten-Ingwer-Suppe. Die Suppe ist schnell zubereitet und schmeckt durch die Zugabe von reichlich Ingwer und Kokosmilch leicht asiatisch-scharf, hätte für meinen Geschmack aber gerne noch etwas raffinierter sein dürfen.
So, und jetzt geht es ans Eingemachte. Hier kommt meine Bewertung von „Anders kochen“ in den einzelnen Kategorien. 5 ist dabei die beste Note, 0 die schlechteste.
Aufmachung/Design: 4/5
Das Buch gliedert sich in die Kapitel Vorspeisen, Dressing, Suppen, Vegetarisches, Fisch, Fleisch, Soßen & Co., Dessert, Backen & Co, sowie informative Kapitel zum Thema Wein (inbes. Bezugsquellen für die bei den einzelnen Rezepten genannten Weintipps), Zutaten und Küchenlatein. Außerdem gibt es noch das Kapitel „Da kauf´ ich ein“, was für mich als Ortsansässige natürlich besonders interessant ist. Zu jedem Rezept gibt es ein ganzseitiges Foto. Das Buch hat einen Hardcover-Einband, bleibt also auch auf der gewünschten Seite aufgeschlagen liegen, angenehm mattes Papier und ein Lesebändchen. Der Fotostil variiert zwischen puristisch und klar (bei den anspruchsvolleren Rezepten) und rustikal-ländlich-shabby bei den Kindheits-Lieblingsgerichten. Insgesamt ein stimmiges Gesamtkonzept, das beim Durchblättern sehr viel Lust macht, viele Gerichte nachzukochen!
Fotos: 4/5
Alle Fotos im Buch stammen von Thomas Rebel, der die Gerichte sehr appetitlich und ansprechend abgelichtet hat. Neben Fotos für jedes Gesicht enthält „Anders kochen“ auch viele Fotos von Sören Anders und Stimmungsfotos, die zu den einzelnen Kapiteln passen.
Rezepte: 5/5
Das Buch enthält eine gelungene Mischung aus simplen Rezepten, die an die Leibgerichte aus der Kindheit erinnern (wie die Apfelpfannkuchen, Vanillekipferl, Gugelhupf etc.) und etwas anspruchsvolleren Gerichten, die sich aber auch in einer durchschnittlich ausgestatteten Hobbyküche umsetzen lassen. Mich hat schon beim ersten Durchblättern eine ungewöhnlich hohe Zahl an Gerichten angesprochen und ich habe fleißig Merkzettelchen verteilt. Sören Anders Leibgerichte treffen auch meinen Geschmack! Außer den bereits getesteten Rezepten möchte ich demnächst noch das Rindergulasch mit Semmelknödeln, die geschmorten Schweinebacken mit gebratener Wassermelone auf Linsen, die Zitronentarte mit Limonenblättereis und die Schwarzwälder Kirschtorte im Glas nachkochen. Auffällig bei den Rezepten ist Sörens offensichtliche Vorliebe für Schäumchen – ich habe 6 Rezepte gezählt, die das Wort „Schaum“ im Titel tragen.
Nachkochbarkeit: 3.5/5
In dieser Kategorie habe ich ein paar Kritikpunkte anzubringen. Zwar sind die Rezepte grundsätzlich alle so angelegt, dass sie auch von Hobbyköchen mit einer durchschnittlichen Küchenausstattung nachgekocht werden können. Aber das Buch enthält bei einigen Rezepten auch Unstimmigkeiten in der Zubereitungsbeschreibung. Z.B. soll man beim Rezept für die Zitronentarte mit Limonenblättereis den Backofen bereits vorheizen, aber gleichzeitig auch den Teig noch für eine Stunde kaltstellen. Außerdem wird nur im letzten Satz ganz am Rande erwähnt, dass die Tarte, die eine Füllung aus einer Zitronencreme mit Gelatine enthält, vor dem Servieren gekühlt werden muss: „Creme auf den Mürbteig geben, mit Puderzucker bestäuben, kühlen danach servieren.“ Das führt in dieser Kurzform sicherlich zu einem sehr flüssigen Tarte-Desaster… Beim Lachsfilet an Curryschaum, das ich nachgekocht habe, war auf dem Foto kein Joghurt zu sehen, der im Rezept aber vorkam, dafür wurde der Lachs fürs Foto im Kochbuch noch mit Zuckerschoten garniert, die im Rezept nicht auftauchen. Es fehlte auch eine Zeitangabe, wie lange der Lachs im Ofen confiert werden sollte. Und bei der Karotten-Ingwer-Suppe werden die namensgebenden Karotten nach dem klein schneiden in der Zubereitung nicht weiter erwähnt.
Mit etwas gesundem Menschen- und Kochverstand lassen sich aber auch diese Klippen umschiffen. Davon abgesehen sind die Rezepte alltagstauglich und verlangen zwar teilweise etwas ausgefallenere, aber nicht völlig abgehobene Zutaten, die man in gut sortierten Supermärkten oder Feinkostladen im Normalfall bekommt, wie z.B. Pomelo, Muskatblüten oder Schweinsbäckchen.
Kaufempfehlung: 4/5
Wer von „Anders kochen“ ausschließlich Rezepte erwartet, die es einem ermöglichen, zuhause auf Sterne-Niveau zu kochen, wird sicherlich enttäuscht sein von diesem Buch. Wer sich dagegen auf eine liebevolle Zusammenstellung von klassischen Leibgerichten und klasse Leckereien mit einer modernen, raffinierten Note einstellt, wird sehr zufrieden sein! Für 19,95 Euro bekommt man gut 200 Seiten mit 50 Rezepten im handlichen Format. Mir gefällt Anders kochen sehr gut, denn die Rezepte treffen genau meinen Geschmack. Toll finde ich auch, dass das Buch viel von Sören Anders Persönlichkeit transportiert, z.B. bei den einleitenden Texten zu den einzelnen Kapiteln, bei den Weintipps zu jedem Rezept und bei den Hinweisen zu Abwandlungsmöglichkeiten für die Rezepte. Man merkt einfach, dass Sören Anders dieses Buch und die Rezepte selbst verfasst hat und hier kein Ghostwriter am Werk war! Von mir also eine klare Kaufempfehlung.
Als wir Mitte Februar bei Sören Anders im Anders auf dem Turmberg essen waren, hatte ich natürlich auch das Kochbuch dabei. Bei seiner Runde durchs Restaurant habe ich Sören Anders gebeten, das Buch zu signieren und ihm auch gleich erzählt, was ich schon alles nachgekocht habe und wie es geklappt hat. Anscheinend hat er sich darüber sehr gefreut, denn wir bekamen dann ganz unerwartet noch ein Vor-Dessert, nämlich den Pomelosud mit Kokoseis, der auch im Kochbuch enthalten ist, serviert – mit Hinweis, dass das Rezept im Kochbuch enthalten ist. Sehr sympathisch! Über das „Anders auf dem Turmberg“ werde ich hoffentlich bald auch noch mal ausführlicher berichten – davon war ich nämlich auch sehr angetan.
Hallo Juliane,
diesen Sternekoch aus unserer Region kannte ich noch garnicht – genauso wie das Restaurant! Würde sehr gerne mal in einem Sternerestaurant essen gehen und bin daher totaal gespannt auf deinen angekündigten Bericht!
Liebe grüße, Kathi
Hallo Kathi, ein Besuch im Sterne-Restaurant ist auf jeden Fall ein tolles Erlebnis! In diesem Fall haben wir allerdings in der Brasserie des Anders am Turmberg gegessen, nicht im angeschlossenen Sternerestaurant. Die Brasserie ist preislich etwas günstiger, vom Niveau aber fast schon auf dem des Sternerestaurants. Kann ich nur empfehlen!
Viele Grüße und schöner Tag noch,
Juliane
Ich bin Ende September auf dem Turmberg spaziert und habe mit Grauen die Speisekarte gesehen. Lieblose Zettel, vor Rechtschreibfehlern strotzend und garniert mit dem wunderschönen Frühlingsgedicht "Frühling lässt sein blaues Band …". Wie passend. Eben lese ich, daß der Stern verloren ging, weil es nicht mehr so lecker war. Wundert mich nun irgendwie nicht